Von niedrigem Niveau, aber deutlich sichtbar, erheben sich in Afrika erste Inseln der Entwicklung, und sie breiten sich aus. Die größten Herausforderungen liegen in den Bereichen der Bildung und der Infrastruktur, um die Produktivität zu steigern. Dabei haben längst private Lösungen die Zentralregierungen überholt: Eine wachsende Mittelschicht setzt auf digitale Technologien.
Auf die Phase der Stabilisierung und Konsolidierung vieler afrikanischer Länder um die Jahrtausendwende folgte die Entstehung florierender Märkte, Bauprojekte. Die Ruhe vor den Einmischungen von außerhalb, ermöglichte den Aufstieg einer Mittelschicht, die heute bereits an Anzahl diejenige Indiens in den Schatten stellt. Dabei lässt sich auch keine Gemeinsamkeit als Erfolgsmodell ausmachen: ob Ruanda und Uganda im Osten, das englischsprachige Ghana und das frankophone Cote D’Ivoire, scheint die wirtschaftliche Entwicklung in vielen Zentren zugleich gezündet zu haben. Das in seiner Geschichte völlig unabhängige Äthiopien erreichte zwischen 2010 und 2019 sogar die höchsten Wachstumsraten weltweit.
Doch wie nachhaltig ist dieses Wirtschaftswachstum? Kann Afrika an den Erfolg der asiatischen Tigerstaaten anknüpfen oder fällt man nach einem Rohstoff- und Investitionsboom wieder in alte Muster zurück? Mehr und mehr Menschen entkommen der Armut und investieren jährliche Einkommen von 2.000 US-Dollar und mehr. Eine neue Technologie ermöglicht ihnen den Zugang zu Gesundheit, Bildung, Versicherungen und Mobilität: Das Mobiltelefon. Dies bedeutet eine massive Abkehr von den bisherigen Wachstumstreibern Rohstoffen und deren Export. In vielen Ballungszentren sprießen Startup-Cluster zu Fin- und Health-Tech sowie Transport und Logistik.
Unterliegende Treiber des Wirtschaftswachstums ausgewählter afrikanischer Länder. (Quelle: von Carlowitz, 2019)
Selbst die Regierungen machten sich diese neuen Möglichkeiten zu eigen. Der Kontinent ist mit fast tausend Reformen Schauplatz der ambitioniertesten Reformen weltweit. Um den Fortschritt zum Durchbruch zu verhelfen, wurde insbesondere Infrastruktur für mobile Kommunikation aus dem Boden gestampft. Derzeit befindet sich mit dem 45.000 Kilometer langen 2Africa-Kabel das größte Unterwasserkabel-Projekt der Welt in der Umsetzung und ist bereits entlang der afrikanischen Ostküste bis Südafrika fertiggestellt. Der Bestand von Auslandsinvestitionen, nicht nur in Form von Rohstoffminen, sondern auch Produktionsanlagen aus Europa, China und den USA stieg rasant. Der Kontinent ist eine Rohstofflagerstätte für wichtige Ressourcen der Energiewende und der Digitalisierung – und institutionelle Entwicklungen führen dazu, dass viel breitere Bevölkerungsschichten daran teilhaben könnten als bisher. Selbst die Landwirtschaft könnte einmal Afrika zur Kornkammer der Welt machen.
Doch noch ist ein weiter Weg zu gehen und der Start erfolgt von niedrigem Niveau. Eines der drängendsten Probleme vieler afrikanischer Gesellschaften ist, dass die Ausbildung der meisten jungen Menschen nicht mit den benötigten Fähigkeiten im Einklang steht. Nach wie vor machen fehlende Kredit- und Finanzmärkte die Expansion afrikanischer Firmen über das absolute Minimum hinaus schwierig. Die Produktivität ist immer noch niedrig. Doch auch die Weltlage mit dem aufkommenden Protektionismus und dem Konflikt zwischen Ost und West könnte Afrikas Aufstieg behindern. Dazu kommt die schwierige Finanzierungslage unter hohen Zinsen für Staatshaushalte. Wie kann Afrika seine Probleme überwinden und ähnlich den asiatischen Tigerstaaten zum Löwen werden?
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