Seit Jahren übt China immer größeren Einfluss auf die Welt aus. Während Pekings One Belt One Road-Initiative das Gesicht Eurasiens verändert, verändert sich auch die Form chinesischer Investitionen.
Bereits seit geraumer Zeit beschäftigt der wachsende wirtschaftliche Einfluss Chinas Politikern insbesondere in wirtschaftlich dominanten Ländern Europas, Russland, Japan und den USA. China verdrängt mit seinen Investitionen bisher etablierte Marktführer sowohl in Süd- und Zentralasien als auch in Fernost, dem arabischen Raum, dem Balkan oder Afrika. Tatsächlich hat sich das Kapital, das China in die Welt exportiert, in den wenigen Jahren zwischen der globalen Finanzkrise 2008 bis zur COVID-19-Krise annähernd verdreifacht. Und trotz Rückschlägen während der Pandemie scheint kein Bruch des Trends in Sicht. Im Gegensatz zum Rest der Welt wurde China bisher nicht von galoppierender Inflation heimgesucht, und die Zentralbank Chinas hält die Zinssätze stabil auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Dies macht es für chinesische Unternehmen attraktiv, ihr Geld im Ausland zu höheren Zinsen anzulegen. Womit noch mehr Häfen, Firmen und Straßen in chinesische Hände gelangen könnten. Obwohl in westeuropäischen Hauptstädten die Angst vor einem Ausverkauf an China umgeht, spielt die Region tatsächlich in chinesischen Beständen eine untergeordnete Rolle. Gleiches gilt auch für die meisten anderen Industrie- und Hochlohnregionen wie Australien, Neuseeland und den USA zusammen mit Kanada (Nordamerika).
Abbildung 1 Chinesische FDI-Netflows in die Weltregion (in Milliarden US-Dollars). (Quelle: Chinesische statistische Jahrbücher, mehrere)
Tatsächlich dominiert weiterhin Ostasien in Chinas Portfolio, wobei insbesondere die Bestände in Hongkong eine bedeutende Rolle spielen. Singapur beginnt dagegen als größter und wichtigster Verkehrsknotenpunkt im Handel zwischen Europa und Asien einen immer größeren Raum einzunehmen. Eine besondere Geschichte erzählen auch die unscheinbaren, jedoch dicker werdenden Schichten von Ländern wie Indonesien, Vietnam oder Thailand. aufgrund des Arbeitskräftemangels und höheren Löhnen findet sich nun China, welches lange Zeit als verlängerte Werkbank der Welt bekannt war, selbst in der Position wieder, einfache manuelle Tätigkeiten an Billiglohnländer auszulagern. Im ganzen fernen Osten haben sich rund um Chinas Industriezentren längst komplexe Wertschöpfungsketten herausgebildet. Die Zulieferländer produzieren einfache Teile, die schließlich in China zu Laptops, Handys und längst auch schon zu Elektroautos eigener Marken zusammengebaut werden – und längst schon Märkte auf der ganzen Welt erobern. Andere potenzielle Mitbewerber, wie Japan oder Südkorea, spielen in diesen Ketten nur noch eine untergeordnete Rolle.
Während im Westen gerne ein autokratischer Block zwischen Russland und China heraufbeschworen wird, spielt das rohstoffreiche Riesenland tatsächlich mit gerade einmal 10 Milliarden FDI-Beständen in China kaum eine Rolle. Ganz im Gegenteil scheuen chinesische Unternehmer aufgrund des vorherrschenden Nepotismus und der Korruption, der Rechtsunsicherheit aufgrund von Behördenwillkür, sowie der Tendenz des Kremls, gegenseitige Abhängigkeiten für geopolitische Zwecke auszunutzen, vor zu großen Investitionen in Russland zurück.
Chinesische FDI-Bestände in Asien (in Prozentpunkten). (Quelle: Chinesische statistische Jahrbücher, mehrere)
Chinas Engagement im globalen Süden
Umgekehrt warnen europäische Politiker auch gerne afrikanische Regierungen regelmäßig vor chinesischem Einfluss (ohne jemals ein adäquates Gegenangebot gemacht zu haben). China beute nur den Rohstoffreichtum Afrikas aus, um diese in seinen gefräßigen Industriekonglomeraten zu verheizen, während man die Afrikaner arm zurücklässt. Mit Zahlen können diese Behauptungen jedoch kaum unterlegt werden. Der Anteil chinesischer Investitionen in den Rohstoffsektor ist sogar geringer als der westlicher Investoren. Chinesen investieren jedoch stark in den Bausektor, was für Afrika dringend benötigte Infrastruktur von Straßen über Dämme bis zu Gebäuden bedeutet. Trotz des vergleichsweise geringen Anteils Afrikas in Chinas Portfolio ist China somit ein bedeutender Akteur auf dem afrikanischen Kontinent geworden, dessen Anteile sich zwischen 2011 und 2016 fast verdreifacht haben. Darüber hinaus investieren chinesische Unternehmen in Produktionsbetriebe, die es Afrikanern ermöglichen, neue industrielle Fertigkeiten und Technologien zu erlernen.
Chinesische FDI-Bestände nach Empfängerregionen der Welt, in Prozentpunkten. (Quelle: Chinesische statistische Jahrbücher, mehrere)
Dagegen fällt Lateinamerika, ebenso wie Afrika eine Entwicklungsregion, als zweitwichtigster FDI-Standort Chinas völlig aus dem Muster. Interessanterweise sind es noch nicht einmal die großen bevölkerungs- und rohstoffreichen Länder wie Brasilien oder Mexiko, die besonders viele Investitionen anziehen, sondern die kleinen Steueroasen auf den Cayman und Virgin Islands. Dabei sind diese Flüsse jedoch besonders volatil. Dabei dienen diese weniger einigen chinesischen Superreicher zur Verschleierung ihres Vermögens und der Steuerflucht vor Pekings Finanzamt. Viel mehr werden die Steueroasen von chinesischen Unternehmen genutzt, um die chinesische Gesetzgebung zu umgehen, die ausländische Beteiligungen an strategischen Unternehmen, insbesondere in der Tech-Branche, verbietet. Die chinesischen Firmen betreiben auf den Inseln Briefkastenfirmen, die an den internationalen Börsen gehandelt werden und bilaterale Verträge mit den strategisch wichtigen Unternehmen in China abschließen, um den Aktionären der Briefkastenfirmen Kontrolle und Ansprüche an den Unternehmen zu ermöglichen. Laut internationalen Rechnungslegungsstandards ist dies äquivalent zu Eigenkapital, nach chinesischem Recht jedoch erlaubt. Dieses Konstrukt wird sowohl von Tech-Giganten wie Alibaba und Tencent als auch staatlichen Unternehmen wie die China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) und der State Grid Corporation of China genutzt. In den letzten zwanzig Jahren sind chinesische Wertpapierausgaben in diesen Steueroasen von nahezu Null zur Jahrtausendwende auf 60 Prozent im Jahr 2020 angestiegen.
Chinesische FDI-Ströme nach Lateinamerika (in Milliarden US-Dollar, nominal). (Quelle: Chinesische statistische Jahrbücher, mehrere)
Ausgewogene Investitionen bestimmen Chinas Bestände
Besonders besorgniserregend für viele Beobachter ist Chinas Hunger nach mineralischen, landwirtschaftlichen und energetischen Rohstoffen, für seine gigantische Industrie. Doch auch dies lässt sich nur sehr schwer mit Statistiken erhärten, ganz im Gegenteil nimmt dieser sogar immer weniger Raum in Chinas FDI-Spektrum ein. Der Großteil chinesischer Investitionen konzentriert sich auf Leasing- und Unternehmensdienstleistungen, wie etwa Leasing von Maschinen, Gebäuden oder Fahrzeugen. Dies geschieht oft mit dem Ziel, neue Technologien oder Expertise zu erwerben. Zudem spielen chinesische Unternehmen eine größere Rolle bei der Beratung und Wartung von Maschinen im Ausland. Weitere wichtige FDI-Bestände weltweit sind wenig überraschend chinesische Großhändler und das verarbeitende Gewerbe mit seinen immer weiter ausgreifenden Wertschöpfungsketten, zu denen bereits Industriebetrieb in afrikanischen Ländern wie Äthiopien oder Senegal gehören.
Chinesische Netto-FDI-Abflüsse nach Sektoren (in Milliarden US-Dollar, nominal). (Quelle: Chinesische statistische Jahrbücher, mehrere)
Die One Belt One Road-Initiative
Auch als Financier von Infrastrukturprojekten und Produktionsbetrieben auf der ganzen Welt nimmt China eine immer wichtigere Rolle ein. Dies ist eng mit einem besonderen strategischen Projekt des Reiches der Mitte verwoben: Die „One Belt One Road“-Initiative (OBOR). Diese Initiative wird als Gegenstück zur amerikanischen Vorherrschaft über die Weltmeere angesehen und zielt darauf ab, Chinas Versorgung mit fossilen Rohstoffen einerseits und seine Exportmärkte andererseits mittels Landverbindungen zu sichern. Obwohl es sich um ein massives Infrastrukturprojekt handelt, dass die eurasischen Länder bis hin nach Afrika mittels Häfen, Eisenbahnlinien, Terminals und Straßen umspannt, beschränkt sich China sehr oft darauf, Projekte zu finanzieren und beratend tätig zu sein, anstatt selbst tätig zu werden. FDI im Bausektor spielt dagegen eine immer untergeordnetere Rolle.
Die OBOR-Initiative ist der historischen Seidenstraße nachempfunden. Einem historischen Handelsnetzwerk, das einst Seide, Tee und Gewürze aus dem Fernen Osten über Karawanen nach Europa brachte und die Transitländer dabei unverschämt reich machte. Heute sind es Computer, Handys, Kleidung und so gut wie alle Weihnachtsgeschenke, die ihren Weg über die neue Seidenstraße nach Europa finden. China verfolgt neben seiner eigenen materiellen Versorgung ist eines ihrer erklärten Ziele dabei die wirtschaftliche Zusammenarbeit, kulturellen Austausch und diplomatische Beziehungen dabei auszubauen. Zum Beispiel ermöglicht es China mit dem Ausbau zentralasiatischen Ländern durch die Anbindung an Häfen wie Shanghai ihre starke Abhängigkeit zu Russland abzubauen. Es ist eines der komplexesten Unterfangen, die unterschiedlichen kulturellen Identitäten auf dem Weg nach Europa unter einem übergeordneten Ziel zu vereinigen – neben bilateralen Krediten seiner staatlichen Banken und Garantien bedient sich China dabei auch Institutionen wie der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB).
Sketchy representation of the main traffic routes of the new Silk Road. (Source: Nadia Oborska/Shutterstock)
Chinas Einfluss in der Welt, insbesondere im globalen Süden wächst. Oftmals sind die von China mitgebrachten Technologien nicht nur kostengünstiger, sondern auch leichter zu betreiben und zu warten, als westliches Equipment. Mit seiner One-Belt-One-Road-Initiative rollt das Reich der Mitte noch dazu Märkte auf, die zuvor entweder von allen großen Wirtschaftsmächten vergessen wurden oder zuvor in der Interessensphäre anderer Blöcke lagen – wie Zentralasien oder Südosteuropa. Zwar gibt es Bedenken – insbesondere im Westen – jedoch drücken diese viel mehr die eigenen Versäumnisse gegenüber dem globalen Süden aus, als über chinesische Missstände. Weder betreibt China übermäßigen Raubbau gegenüber den Rohstoffen anderer Länder, noch beutet es sie aus, ganz im Gegenteil, schwappt längst schon etwas vom Wohlstand, dass sich die Chinesen in den letzten Jahrzehnten erarbeiteten, auf Länder der Peripherie über. China gestaltet den gesamten Eurasischen Kontinent gerade um. Nicht uneigennützig, jedoch kommen genügend Win-Win-Situationen zustande, die China als Partner attraktiv machen.