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Entwicklungsländer im Schuldenstress

Jahre der Krise laugten weltweit die Staatsbudgets aus. Mit der galoppierenden Inflation und Zinserhöhungen wird deren Finanzierung noch schwieriger. Während die ärmsten Länder zu kämpfen haben, reagierten die Schwellenländer jedoch beherzter und sind dem Westen voraus. 

Weltweit ziehen Zentralbanken die Zinsschraube an, um der galoppierenden Teuerung Herr zu werden. Doch legen diese steigenden Zinssätze enthüllen auch alte Verwundbarkeiten. Die verschärften globalen Finanzbedingungen haben zu einer Neubewertung von Vermögenswerten und Produktionsanlagen geführt. Die höheren Zinsen bedeuten jedoch auch eine steigende Zinslast sowohl für Privatsektoren als auch Staaten, beide mussten sich zur Überbrückung oder zur Finanzierung von Sozialmaßnahmen während der COVID-19-Pandemie besonders tief verschulden. Die Gemengelage könnte sich fatal auswirken, wo nun die Zinsen steigen und Kredite nicht mehr so einfach erhältlich sind, wie zu Zeiten des billigen Geldes.

Anteil der Schwellenländer mit restriktiver Zinspolitik von 1995 bis 2022. (Quelle: OECD, 2022)

Schwellenländer mit restriktiver Zinspolitik von 1995 bis 2022. (Quelle: OECD, 2022)


Hohe Schuldenstände treffen auf höhere Zinsen

Steigende Schuldenbelastungen des privaten Sektors und geringere Liquidität auf dem Anleihenmarkt sind Schlüsselrisiken für die aufstrebenden Schwellenländer von Ostasien über Indien, Südafrika bis Südamerika. Während der COVID-19 Krise bauten sich die Schuldenstände über Gebühr auf. Geld war massig vorhanden, da die Menschen sowohl in den Industrieländern als auch auf den heimischen Märkten nicht konsumieren konnten, war Kapital günstig auf den Finanzmärkten vorhanden. Doch flossen diese zusätzlichen Mittel nicht in Infrastruktur und Produktivitätswachstum, sondern vor allem kurzlebige Maßnahmen, um jene zu versorgen, die durch die Lockdowns ihre Lebensgrundlage verloren hatten und weitläufige Sozialprogramme. Besonders augenscheinlich ist dies bei China und Thailand, die sowohl im privaten als auch dem öffentlichen Sektor besonders viele Schulden aufgebaut hatten. Mittlerweile kratzen fast alle aufstrebenden Staaten mit Ausnahme Indonesiens und Mexikos an der 100 Prozent-Marke.

Veränderung der Schuldenstände während der COVID-19-Pandemie. (Quelle: OECD, 2022)

Veränderung der Schuldenstände während der COVID-19-Pandemie. (Quelle: OECD, 2022)


Mit weniger Geld auf den Finanzmärkten steigen nun zwangsläufig die Zinsen, was sowohl Staaten als auch privaten Akteuren die Umschuldung ihrer Schuldenlast erschwert.  Die Gefahr von massenhaften Konkursen und Zahlungsausfällen von Haushalten und Unternehmen steigt. Besonders setzt dies Staaten unter Druck, deren Wachstumsmodell auf billig verfügbarem Geld basiert und die damit in den Jahren vor der Pandemie hohe Wachstumsraten erzielt hatten, etwa durch massive Investitionen im Bausektor. Die hohen Zinsen in den Industrieländern locken nun viel von dem Kapital an, welches früher aufgrund der negativen Realzinsen im Westen auf der Suche nach alternativen rentablen Anlageformen dorthin gewandert ist. Diese Kapitalströme kehren sich nun um und vergrößern das Ausfallrisiko, was erneut zu höheren Risikoaufschlägen bei den Zinsen führt – eine Abwärtsspirale. In Kombination mit hohen Lebensmittelpreisen eine fatale Mischung und ein Nährboden für politische Instabilität bis hin zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Bereits jetzt sehen wir zahlreiche Länder, deren Regierungen dieser Instabilität mit restriktiveren Mitteln begegnen und härter gegen die Opposition vorgehen.

Während die Schwellenländer gut gewappnet sind, sind die Ärmsten am betroffensten

Dies trifft die Länder mit den niedrigsten Einkommen am heftigsten. Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge, steigt die Anzahl der Entwicklungsländer, die sich in einer kritischen Verschuldungslage befinden. Wenig überraschend trägt Afrika dabei mit acht Ländern mit hohem Ausfallsrisiko die Hauptlast, darunter vielversprechende Wachstumskandidaten wie Äthiopien, Ghana, Kenia oder Kamerun. Gefolgt von eher kleineren südasiatischen und lateinamerikanischen Ländern, die insgesamt keine große Belastung für das globale Finanzsystem darstellen würden, wenn rechtzeitig eingegriffen würde. Jedoch fehlt den dortigen Regierungen der finanzielle Spielraum, um zu reagieren. Man ist auf externe Hilfe angewiesen, doch ist es fraglich, wie weit die Bevölkerungen dort finanzielle Rettungsmaßnahmen für die Ärmsten akzeptieren, wenn sie selbst unter Druck steigender Lebenshaltungskosten stehen.

Anteil der Niedriglohnländer in Überschuldungssituation. Afrika, Lateinamerika, Pazikik und Asien, niedrig, hoher, moderater und kritsche Verschuldung. (Quelle: IWF, 2023)

Anteil der Niedriglohnländer in Überschuldungssituation. (Quelle: IWF, 2023)


 

Im Gegensatz dazu haben die meisten Schwellenländer gemäß dem Internationalen Währungsfonds den Vorteil, dass ihre Schuldtitel längere Laufzeiten haben im Vergleich zu denen in den Industrieländern (kaum ein Prozent gegenüber zwanzig Prozent). Dadurch sind sie weniger darauf angewiesen, regelmäßig frisches Geld auf den Finanzmärkten aufzunehmen. Darüber hinaus sind ihre Reserven seit Jahrzehnten darauf ausgerichtet, hohe Zinsaufschläge und volatile Inflationsraten abzufedern – was für westliche Industrieländer eine Krise ist, ist für die Zentralbanken in Schwellenländern praktisch Alltag. Während FED und EZB noch zögerten, hatten die Zentralbanken vor allem in den am meisten von der Inflation betroffenen Staaten früh begonnen aggressive Zinsschritte zu setzen. Dank vergleichsweise hoher Zinsen konnten sie so attraktiv für Investoren bleiben und einen zu starken Kapitalabfluss zu vermeiden, was sowohl die Währung jener Länder stärker als auch den Inflationsdruck milderte.

Märkte sind resilient

Die Entwicklungen zeigen, dass Märkte das tun, wofür sie geschaffen wurden. Ein gutes Beispiel dafür sind die Sanktionen gegenüber Russland: Diese werden in weiten Teilen umgangen, da die dezentralen Lieferketten sich innerhalb kürzester Zeit über befreundete Staaten, wie Kasachstan, Armenien oder die Türkei verlagerten. Hohe Preise zeigen Mangel an, da Menschen bereit sind, mehr für knappe Güter zu bezahlen. Doch ermöglichen sie auch hohe Profite und daher Anreize zu investieren: hohe Lebensmittelpreise sagen, dass man Dünger, landwirtschaftliche Flächen und lebensmittelverarbeitendes Gewerbe braucht. Die hohen Zinsen, als Preis für Geld zeigen an, dass der Pool aus Arbeitskräften, Maschinen und Energie knapp ist. Doch Marktkräfte sorgen dafür, dass diese knappen Güter in die produktivsten Projekte geleitet werden. Unter dem aktuellen Druck, oft auch bei lebensnotwendigen Gütern, ist die Versuchung nach politischen Interventionen groß, doch die Erfahrung zeigt, dass solche Interventionen in der Regel das Ausmaß der Krise nur verlängert.

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