Politik

Nahrungsmittel- und Energiepreise belasten Pakistan und Südasien

Foodcourt-Bashahi Moschee-Lahore-Punjab-Pakistan

Angesichts eines starken Bevölkerungsanstieges in den letzten Jahren war Südasien seit jeher anfällig für Preisschwankungen bei Lebensmitteln. Der rasante Anstieg der Preise für Essen und Energie innerhalb eines Jahres gefährdet die Versorgung der Bevölkerung in vielen Ländern der Region. Die Europäer verstärken diese Notlage noch, indem sie mit ihrer erhöhten Kaufkraft die südasiatischen Länder bei ihren klassischen Gas- und Kohle-Lieferanten ausstechen.

Von Mubeen Waheed

Karte-Südasien-Iran-Afghanistan-Pakistan-Indien-Nepal-Bhutan-Bangladesch

Südasien ist mit 4,5 Milliarden Einwohnern die bevölkerungsreichste Region der Welt. Allerdings sind die Einwohner dieser Region von den derzeitigen Auswirkungen der globalen Wirtschaftskrise stark betroffen.


In den letzten fünf Jahren wuchs die Bevölkerung Südasiens um fast eine Milliarde auf rund 4,7 Milliarden Menschen an, damit handelt es sich um die am schnellsten wachsende Region der Erde. Der plötzliche und 2021 rasant ansteigende Preis für Energie und Lebensmittel führte zu politischen und wirtschaftlichen Probleme und stellte die beiden größten Länder der Region, Indien und Pakistan, jedoch auch das übrige Südasien vor strategische Herausforderungen. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, die Energiekrise in den Griff zu bekommen. Während die Ölpreise lange Zeit unter 90 US-Dollar pro Fass lagen, schossen im Jahr 2022 plötzlich auf bis zu 120 US-Dollar in die Höhe. Besonders bevölkerungsreiche Schwellenländer wie Indien und Pakistan mit enormem Bedarf für Energieimporte sind dafür anfällig.

Jährlicher Anstieg Rohoelpreis seit 1960-OPEC-Preise

Durchschnittlicher jährlicher OPEC-Rohölpreis von 1960 bis 2022, in US-Dollar pro Barrel. (Quelle: Statista, 2022)


Die Wurzeln des Ernährungsproblems Pakistans liegen jedoch weit tiefer im System. Die geringe landwirtschaftliche Produktivität sorgt für anhaltende Probleme in Pakistans Ernährungssicherheit. Ein Großteil der wichtigsten Grundnahrungsmittel des Landes, Weizen, Reis, Gerste oder Sorghum, kommt aus Indien, China und Deutschland. Zusammen mit Indien ist Pakistan der weltweit größte Importeur für Saatgut. Die globalen Verwerfungen durch die weltwirtschaftliche Erholung nach den COVID-19-Lockdowns haben zu einer höheren Inflation und hohen Rohstoffpreisen aufgrund steigender Energiekosten geführt.

Ernärhungsunsicherheit-Regionen Pakistans-Baluchistan-Sindh-Punjab-Khyber Pakhtunkhwa-Gilgit-Baltistan

Anteil der Menschen, die in den verschiedenen Provinzen Pakistans in Ernährungsunsicherheit leben. Vor allem im Punjab, der ein Trockengebiet ist (Quelle: Abbasi ete al., 2021)


Die Verfügbarkeit von billigen und zugleich nährstoffhaltigen Lebensmitteln ist in vielen Ländern der Region ein Problem. In Südasien befinden sich immerhin fünf der zwölf Länder Asiens mit der höchsten Rate an Unterernährten. Auf die unmittelbare Krise reagierten die meisten Länder mit Exportbeschränkungen, um mit den zu Hause produzierten Lebensmittel auch die heimische Bevölkerung zu versorgen. Doch ist eine Folge der Beschränkungen, dass die südasiatischen Länder nur noch höhere Teuerungsraten bei Lebensmitteln erleben. Durch die Unterbrechung des freien Warenverkehrs von Betriebsmitteln wie Düngern, Saatgut oder Treibstoff für Traktoren können diese nicht mehr dorthin verbracht werden, wo sie den höchsten Ertrag bringen. Die Folge ist, dass insgesamt der weltweite landwirtschaftliche Output viel weniger ansteigt, als er es andernfalls könnte. Die betroffenen Menschen müssen so schließlich länger als nötig mit geringeren Mengen an Grundnahrungsmitteln leben und höhere Preise dafür bezahlen.

Offene Märkte könnten die Ernährungsunsicherheit verringern und sicherstellen, dass die Menschen in Entwicklungsländern Zugang zu erschwinglichen Lebensmitteln haben. Anstelle der derzeitigen lokalen Exportrestriktionen sollten die südasiatischen Länder daher zusammenarbeiten, um den Handel mit landwirtschaftlichen Gütern im Sinne des Gemeinwohls offen und zugänglich halten.

Europas Energiehunger lässt südasiatische Länder aushungern

Während mit Stand Ende August zahlreiche Schiffe, die aus der Ukraine ausliefen, nicht im Sinne des russisch-ukrainischen Getreideabkommen die ärmsten Weltgegenden ansteuerten, um diese mit Nahrungsmitteln zu versorgen, sondern auch zahlreiche europäische Häfen ansteuerten, ist die Unwucht zugunsten der Europäer auf den Energiemärkten noch viel asymmetrischer.

Mit dem ab August in Kraft getretenen Verbotes der Europäischen Union, russische Kohle zu importieren und der Entscheidung Moskaus, die Gaslieferungen an einige europäische Länder ab diesem Monat einzustellen, bemühten sich europäische Abnehmer um alternative Lieferungen aus Indonesien, dem weltgrößten Kohleexporteur. Die daraufhin steigenden Kosten für fossile Brennstoffe machten es Pakistan schwer, den zuverlässigen Betrieb seiner Kraftwerke zu gewährleisten. Unternehmen, die mit verflüssigtem Erdgas (LNG) handeln, stornierten Verträge mit Pakistan, um stattdessen auf den lukrativen europäischen Märkten zu verkaufen. Mehrere erwartete Lieferungen langfristiger LNG-Lieferanten wurden in den letzten Monaten storniert, was Pakistans Versorgung erheblich einschränkte. Derzeit ist das Land gezwungen, LNG weit über den Preisen von 2020 oder 2021 zu erwerben. Dabei ist Pakistan erst vor Kurzem in den globalen LNG-Markt eingetreten, hat sich aber in dieser Zeit zu einem bedeutenden Importeur entwickelt. Die Hauptgründe Pakistans dafür, LNG in seinen Energiemix aufzunehmen, sind die Erschöpfung der heimischen Gasvorräte und der Übergang zu sauberer und billiger Stromerzeugung.

Pakistans Energieverbrauch nach Sektoren-Stromproduktion-Transport-Industriell

Vor allem der Verkehr und die Stromerzeugung verbrauchen Pakistans Energieressourcen, während der Industriesektor, vor allem der Textilsektor, eine geringe Rolle als Verbraucher spielt. (Quelle: Mudassar et al., 2022)


90 Prozent des pakistanischen Energieverbrauchs werden für den Verkehr und die Stromerzeugung privater Haushalte, aber auch für kleine und mittlere Unternehmen verwendet. Der Preisanstieg von LNG schafft daher direkte Probleme für die Bevölkerung, die einen Großteil ihres Haushaltsbudgets für Kochen, Mobilität, jedoch auch Heizen und Kühlen ausgibt.

Stromproduktion Pakistan Quellen-Wasserkraft-Gas-Kohle-Atomkraft-Wind-Biomasse-Solar

Obwohl Gas im Jahr 2021 nur ein Viertel der Energieproduktion ausmachte, wurden die steigenden Gaspreise in Kombination mit den Überschwemmungen im Jahr 2022 besonders fatal, da sie die Stromproduktion auf dem Wasser verzerrten. (Quelle: Statista, 2021)


Mehr als ein Viertel der Versorgung wird durch Gas gedeckt. Auch die Wasserkraft war aufgrund der verheerenden Überschwemmungen in der Region, ausgelöst durch einen Rekordmonsun und die Gletscherschmelze im gebirgigen Norden, Zerstörung und Abschaltungen ausgesetzt.

Pakistans Lieferanten Erdölprodukte-Singapur-Oman-Kuwait-Vereinigte Arabische Emirate

Wichtigste Lieferländer für raffinierte Erdölprodukte wie Diesel oder Benzin. (Quelle: Mudassar, 2022)


Dazu verschärft die politische Instabilität Pakistans das Problem noch zusätzlich. Die Regierung, einzelne politische Parteien und andere Interessengruppen behindern nach wie vor geschäftliche Aktivitäten. Vetternwirtschaft blockiert die Einstellung qualifizierter Mitarbeiter, Korruption behindert Investitionen und säumigen Verbrauchern wird die Leistung gekürzt.

Berichten zufolge schulden Sui Southern Gas Company Ltd (SSGCL) und Sui Northern Gas Pipelines Ltd. (SNGPL) 1,5 Billionen pakistanischer Rupien (Rs) (6,5 Millionen US-Dollar) an die Oil & Gas Development Company Ltd. (OGDCL) und Pakistan Petroleum Ltd. (PPL) – dem Rückgrat der pakistanischen Öl- und Gasexploration und -produktion. Deren kostengünstige einheimische Energiequellen kosteten weniger als die Hälfte des importierten LNG, auf das Pakistan zunehmend angewiesen ist. Die Einnahmen von OGDCL und PPL stecken daher in einem Schuldenkreislauf fest, der sie daran hindert, in andere Märkte zu expandieren und neue Felder zu erkunden, obwohl das ganze Land davon profitieren würde. Nach Jahren abnehmender Öl- und Gasproduktion ist der Mangel an neuen Investitionen in die Exploration besorgniserregend und wirtschaftlich bedrohlich.

Dabei weisen die Versorgungsunternehmen jegliches Fehlverhalten von sich und weisen die Schuld der Verwaltung zu. Aufgrund mangelnder Koordination kann keine in sich konsistente Energiestrategie umgesetzt werden, um Pakistans schwächelnde Wirtschaft mittels nachhaltiger Energieversorgung zu stabilisieren. Öffentliche Zuschüsse für die Versorgungsunternehmen werden durch die pakistanische Regierung nicht geleistet. Deren Schulden (sogenannte „circular debt“) gegenüber den Energieunternehmen belaufen sich inzwischen auf erschreckende Rs 2,5 Billionen, dies entspricht einem Anstieg von etwa zehn Prozent gegenüber dem vorangegangenen Haushaltsjahr. Experten sagen voraus, dass sie bis 2025 auf 4 Billionen pakistanische Rupien (11 Millionen US-Dollar) ansteigen wird.

Pakistans durch die Energiekrise verstärkte Probleme

Die anhaltende weltweite Energiekrise, die auf die Epidemie folgte, hatte weitreichende makroökonomische Auswirkungen. Die Energiepreise haben sich erheblich auf die Inflation ausgewirkt, was die Fortschritte bei der Erreichung eines erschwinglichen Zugangs zu Energie verlangsamt und zu einem starken Anstieg der extremen Armut in den am stärksten gefährdeten Ländern und Gemeinschaften beigetragen hat. Dies gilt insbesondere für Schwellen- und Entwicklungsländer, in denen der Anteil von Energie und Lebensmitteln an den Haushaltsbudgets relativ hoch ist. Die Krise destabilisiert bereits Südasien, wo Länder wie Pakistan und Sri Lanka von schweren Stromausfällen betroffen sind. Die Nachfrage steigt durch eine aus den Lockdowns aufwachende Gesellschaft, während die Stromerzeugung allerdings konstant bleibt. Dies führt zu einem immer schneller wachsenden Strom-Defizit und schadet sowohl den Haushalten als auch der Produktion.

Pakistan-Stromproduktion bis 2025-Gigawatt-Nachfrage-Defizit

Während die Elektrizitätsnachfrage ständig steigt, wird nicht davon ausgegangen, dass die Erzeugung bis 2025 zunimmt. Prognosen zeigen, dass die Nachfrage im Jahr 2025 die Produktion fast um das Dreifache übersteigen könnte. (Quelle: Imran, 2020)


Wie andere Sektoren auch ist die Industrie von der derzeitigen Energiekrise besonders stark betroffen. Aufgrund der anhaltenden Energieknappheit haben die Versorgungsunternehmen den Fabriken den Zugang zu Erdgas und Strom verwehrt. Die Produktion in einer Vielzahl von großen und kleinen Sektoren wird durch großflächige Stromausfälle behindert. Die steigende Inflation, der Verfall der pakistanischen Rupie und die schwindenden Devisenreserven haben zu einer schweren Wirtschaftskrise in dem südasiatischen Land verfestigt.

Die Textilbranche ist besonders gefährdet. Daten der Regierung zeigen, dass die Hitzewelle in diesem Monat den Energieverbrauch in den Haushalten in die Höhe getrieben hat, was an mehreren Tagen zu einem Defizit von etwa 7.000 MW oder rund 20 Prozent der gesamten pakistanischen Stromerzeugungskapazität führte. Pakistans lebenswichtige Textilindustrie wurde hart getroffen, auf die 60 Prozent der Exporte des Landes entfallen, mit so unterschiedlichen Waren wie Jeans, Karateanzügen oder Bettwäsche für die USA und Europa. Die Textilindustrie befindet sich in einer Krise, so Qasim Malik, Vizepräsident der Handelskammer von Sialkot. Konkurrenten aus Bangladesch, Vietnam oder Thailand wurden damit zu einer großen Bedrohung für den pakistanischen Textilsektor auf den internationalen Märkten. Aufgrund der hohen Versorgungskosten, hoher Löhne und fehlender Investitionen im Land ist der Textilsektor selbst nicht in der Lage, die Probleme in den Griff zu bekommen.

Bringen erneuerbare Energien Südasiens Lösung?

Wie China und Japan ist auch Pakistan auf importierte fossile Brennstoffe angewiesen, um sein Stromnetz mit Energie zu versorgen. Vor diesem Hintergrund fragt sich, was Pakistan selbst tun kann, um seine Energiekrise zu lösen und seine Stromversorgung zu stabilisieren. Derzeit findet überall auf der Welt, besonders in Europa, eine Revolution Richtung erneuerbarer Energien statt. Doch beansprucht der Aufbau ausreichender Kapazitäten Zeit und Geld. Besonders bei Letzterem konkurriert Südasien erneut mit Europas überlegener Kaufkraft um die notwendigen Rohstoffe, etwa Kupfer oder Investitionsgüter wie Anlagen und Solarpaneele. Ähnlich, wie es bereits auf den Nahrungsmittel- und Energiemärkten ausgebootet wurde.

Derzeit verfügt Pakistan über installierte Stromerzeugungskapazitäten von insgesamt 39.772 MW. 63 Prozent aus fossilen Brennstoffen, 25 aus Wasserkraft, 5,4 aus Wind, Solar und Biomasse und 6,5 aus Kernenergie, wie aus dem Jahresbericht 2021 der National Electric Power Regulatory Authority (NEPRA) hervorgeht.

Angesichts der gegenwärtigen Situation könnten erneuerbare Energieressourcen entscheidend dazu beitragen, die oben dargestellte Lücke zwischen Nachfrage und Produktion zu schließen. Das Energieministerium hat kürzlich Änderungen an der „Renewable Energy Strategy 2019“ vorgenommen, um der Präferenz der derzeitigen Regierung für grünen Strom Rechnung zu tragen. In dieser Strategie heißt es, dass bis 2030 60 Prozent der pakistanischen Energie aus erneuerbaren Quellen wie Wasserkraft stammen sollen, um die Abhängigkeit des Landes von ausländischen Brennstoffimporten zu verringern. Mehr Dämme und Stauseen erhöhen auch das Potenzial der Landwirtschaft aufgrund einer stabileren Wasserversorgung und mindern das Risiko Überschwemmungen, wie sie im Jahr 2022 mit verheerenden Folgen auftraten.

In Anbetracht der derzeitigen raschen Veränderungen der globalen Energieflüsse hat Pakistan also einen großen Spielraum, um eine praktikable Lösung für sein Energiedilemma zu finden. Hier sind einige Vorschläge, wie Pakistan konkrete Schritte in Richtung erneuerbare Energien unternehmen könnte.

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