Lebensstil

Neue Ideen kommen mit dem Fahrrad nach Kenia

Fahrräder trugen neue Ideen nach Afrika. Die Einheimischen griffen diese auch prompt mit viel Unternehmer- und Erfindungsgeist auf und machten sie sich zu eigen. Michael Ochieg baute sich ein Leben rund um das Fahrrad auf. Mit Entschlossenheit und Mut baute er sich in der kleinen, aber engagierten Fahrradszene Nairobis einen Ruf als Alleskönner auf. Doch Unternehmertum in Afrika geht auch einher mit großer Eigenverantwortung und oft hohen Risiken – die einem der Staat nicht abnimmt.

Michael wurde in das für kenianische Verhältnisse beschauliche Bungoma geboren. In der 45.000 Einwohner großen Stadt nahe der ugandischen Grenze entlang der beiden afrikanischen Hauptstädte Nairobi und Kampala verbindet sind alte Stahlrahmenfahrräder, die zum Transport von Lasten bis hin zu Passagieren verwendet werden. Obwohl viele Fahrer ihre Fahrräder dank fortschrittlicher Kreditmodelle und günstiger indischer Automobilhersteller konnten viele Fahrer inzwischen durch Motorräder ersetzen, gehören die schweren Gefährte bis heute zum Stadtbild vieler kleinerer Gemeinden.

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Michael Ochieg repariert ein Black Mamba Fahrrad in seiner Heimatstadt Bungoma. (Quelle: Michael Ochieg, 2000)


Hier lernte Michael von seinem Großvater das Handwerk als Fahrradmechaniker vor allem an den in früheren Tagen in ganz Ostafrika weit verbreiteten Black Mamba Fahrrädern. Der Name geht auf eine indische Firma zurück, die diese importierte und als Namensgeber für alle Räder ähnlicher Bauart diente. Zu solchen „Schwarzen Mambas“ entwickelte Michael schließlich auch eine besondere Affinität und benannte später seinen Fahrradladen danach.

In seinem Dorf habe er viel Alkohol getrunken und geraucht, doch hatte ihn die Situation so deprimiert, dass er damit aufgehört hatte und er zum Glauben gefunden hatte, so Michael. Um 2000 wechselte er schließlich in die kenianische Hauptstadt Nairobi, um dort als tiefgläubiger Christ Evangelistik an der Uni zu studieren. Seinen Lebensunterhalt verdiente er parallel zum Studium mit der Reparatur von Fahrrädern. Er lernte alle Typen von Fahrrädern zu reparieren, von Mountain Bikes, Stadtfahrrädern und Rennrädern. Vieles brachte er sich im Laufe der Jahre selbst im Selbststudium von YouTube-Videos bei.

„Nach einem langen Weg, kann ich mich nun als professionellen Fahrradmechaniker für alle Arten von Rädern bezeichnen,“ erklärt Michael stolz.

Eine prägende Erfahrung mit der Tour D’Afrique

Sein Talent und etwas Glück führten ihn zu Martin, den er über einen gemeinsamen Freund aus Tansania kennenlernte. Der Niederländer war einer der Tour Organisator der Tour D’Afrique. Die Firma organisiert begleitete Touren mit dem Fahrrad über den gesamten afrikanischen Kontinent, 11.000 Kilometer von Ägypten bis Kapstadt in Südafrika. Michael begleitete den Trek zwei Mal. Zum ersten Mal ein Monat durch die gewaltigen Weiten seines Heimatlandes Kenias. Bei einer zweiten Tour ging es für ihn drei Monate lang von Namibia über Botswana, Sambia und Malawi nach Tansania.

Tour D'Afrique,

Michael ist auch bei den Pausen der Tour D’Afrique anwesend. (Quelle: Michael, Ochieg, 2004)


Neben seinem Job als Fahrradmechaniker gehörte es zu Michaels Aufgaben, das Lager mit aufzubauen, die Mahlzeiten zu kochen und die Touristen zu versorgen, die Ausrüstung zu reinigen. Die Europäer, die er kennenlernte und die für ihr Abenteuer mehrere Tausend Dollar ausgaben, schätzt er als freundlich und mit gutem Charakter ein. Doch längerer Kontakt ergab sich daraus nie. Doch war es vor seiner Erfahrung mit der Tour D’Afrique für ihn unvorstellbar, mit dem Fahrrad so lange Distanzen zurückzulegen und damit sogar fremde Länder zu durchqueren. Ohne zu zögern würde Michael sofort wieder die Chance ergreifen und bei der Tour D’Afrique teilnehmen.

 Rückkehr nach Nairobi

Nach den Touren in Afrika kehrte Michael zurück in die kenianische Hauptstadt. Zwei Jahre lang arbeitete er als Fahrradmechaniker im Laden eines anderen, wo schließlich der Entschluss reifte, ein eigenes Geschäft zu eröffnen. Doch hatte er auch finanzielle Unterstützung eines Freundes von der deutschen Botschaft, der bei einer Bank arbeitete und die seiner Familie. Gemeinsam erarbeiteten sie die Idee des Fahrradladens. Michael sparte auf seinen Traum hin und kompensierte die Furcht vor dem Scheitern mit Glauben in sich selbst und arbeitete noch härter bis er schließlich auch einen Schuppen fand, entlang eines der Masaba-Road, direkt in der Nähe einer Abfahrt des Stadt-Highways. Einen Bankkredit scheute er.

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Für die kleine Fahrradgemeinde in Nairobi ist Michael die erste Anlaufstelle, wenn Ersatzteile und Reparaturen benötigt werden. Auch Europäer bringen ihre Fahrräder in Michaels Laden in der Masaba Road vorbei. (Quelle: eigene, 2017)


Dank seiner Erfahrungen schaffte es Michael sich einen ausgezeichneten Ruf unter der kleinen Radler-Community des fünf Millionen Einwohner-Molochs Nairobi. In verschiedensten Chatgruppen empfiehlt man sich Michael als erfahrenen Fahrradmechaniker und seine Fähigkeiten sprechen sich herum. Ebenso gehört laufender Kundenservice mit der Rad-Community zum täglichen Geschäft. Freunde zeigen ihm, wo Ersatzteile erhältlich sind, um in seinem Shop ausgestattet zu sein.

Unternehmerisches Risiko schlägt unter Corona zu

Doch 2020 schlug auch in Kenia die COVID-19-Pandemie auf. Wie im Rest der Welt setzte die kenianische Regierung auf Lockdowns, die insbesondere kleine Geschäfte wie Michaels Fahrradladen sehr schwer trafen. Kaum eine andere Region der Welt behielt diese so lange bei wie viele afrikanische Länder. Dies machte sich auch in Michaels Geschäft bemerkbar. Die Kunden blieben aus und die finanzielle Situation verschlechterte sich und Michael war gezwungen seinen Laden zu schließen.

Doch derzeit reicht Michaels Kapital nicht, um einen Neuanfang zu wagen. Neben Werkzeug, Ersatzteilen und einer guten Werkstatt macht er sich jedoch inzwischen auch über die Sicherheit Gedanken. Heute gäbe es mehr Fahrraddiebe denn je, bemerkt er. Ebenso möchte er sein Sortiment um Fahrradbekleidung, Helme und Schuhe erweitern, um seinen Laden wieder zum Laufen zu bringen. Doch fehlen die finanziellen Mittel, um einen Container mit Fahrrädern zu besorgen, die er verkaufen könnte.

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Michael Ochieg montiert ein Fahrrad in seinem Geschäft. (Quelle: Michael Ochieg, 2017)


Doch bleibt Michael während seiner Zeit der Arbeitslosigkeit nicht untätig, obwohl die Schulgebühren für seine Kinder zu bezahlen sind, hat er sich abgelegen von Nairobi ein Grundstück gekauft, um sich die Möglichkeit offen zu halten, eines Tages hier ein neues Projekt, wie ein kleines Haus starten zu können.

Viel Energie fließt zur gleichen Zeit auch in das Hilfsprogramm des Club Cycloville Kenia, in dem er Jungen und Mädchen seine Talente weitergibt, um ihnen eines Tages ihren eigenen Shop zu ermöglichen oder an Rennen teil zu nehmen. Doch ist Michaels Tun auch in ein tieferes Weltbild und eine weitreichendere Vision für seine Heimat Kenia gebettet: „Nur ein Beitrag, wie wir unsere Nation zu einer anderen machen können und an unsere Kinder und die nächste Generation übergeben können.“

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