Mit ihrer Annäherung an die EU glaubten die Ukrainer den Weg in eine prosperierende Zukunft einzuschlagen. Doch unterschätzte man dabei Moskaus Willen, das Land in seinem Orbit zu halten, und überschätzte Europas Willen, seinen Wohlstand zu teilen. Doch insbesondere übersah man dabei die eigene ukrainische Zerrissenheit. Ein Spalt, in den Putin schließlich einen groben Keil schlug.
Für viele im Westen begann der Konflikt um die Ukraine erst im Februar 2022. Doch entzündete sich der Funke der Uneinigkeit längst im Jahr 2003, während der Orangen Revolution. Dabei war die Lage im Land bei weitem nicht so eindeutig und vor allem so einfach, wie man es sich im Westen gerne machte. Die meisten Wahlen waren geprägt von Polarisierung zwischen dem Osten und dem Westen des Landes.
Wähleranteil Janukowytsch während der Präsidentschaftswahl 2010 in der zweiten Runde . Je dunkler umso höher der Wähleranteil im jeweiligen Oblast mit bis zu 90 Prozent in den Oblasten Krim, Donetzk und Luhansk. (Quelle: wikicommons.org, 2022, eigene Berechnungen und Darstellung)
Diese politische Spaltung war jedoch nur Ausdruck eines Auseinanderdriftens in der wirtschaftlichen Entwicklung der beiden Landesteile. Der Osten des Landes war dabei sogar der wohlhabendere. Er war vor allem dominiert von Schwerindustrie. Von der Kohle und dem Eisen bis zur letzten Schweißnaht produzierte man dort Dieselloks, Traktoren und Bauteile für die Luft- und Raumfahrt, die man schließlich auf die russischen Märkte lieferte. Subventioniertes russisches Gas sicherte dabei zusätzlich die Wettbewerbsfähigkeit ab. Der westliche Teil des Landes profitierte dagegen viel mehr durch die Annäherung an die EU, Tourismus und Direktinvestitionen ließen den Teil des Landes in Form eines Konsumgetriebenen Wachstums aufblühen. In einer sogenannten zwei-Vektorpolitik versuchte die Ukrainische Politik dies Vorteile aus beiden Blöcken zu heben.
Dagegen hatte man im Westen fast nur die ethnische Zusammensetzung im Auge, die in der Ostukraine und der Krim vor allem von gebürtigen Russen dominiert wurde. Bis zum Schluss bezeichnete man den aus Dnipro stammenden Präsidenten Viktor Janukowytsch als den prorussischen Präsidenten, obwohl dieser persönlich das Annäherungsabkommen mit der Europäischen Union ausgehandelt hatte. 2013 kam zum Showdown, als Putin der am Rande einer Pleite stehenden Ukraine einen Kredit über 15 Milliarden US-Dollar, subventionierte Gaslieferung und Mitgliedschaft in seiner Eurasischen Wirtschaftsunion anbot – während der Westen Strukturanpassungsfonds und Kürzungen der Sozialleistungen im Angebot hatte. Ein vollwertiger Beitritt wurde der Ukraine von Anfang an verwehrt. Janukowytsch konnte das nicht hinnehmen.
2013 begann der Showdown auf dem Euromaidan durch die westukrainische Opposition und der russische Wirtschaftskrieg gegen den neuen ukrainischen Präsidenten Schokoladenkönig Petro Poroschenko.
Die ganze Geschichte in der „Postsowjetischen Welt – Vom Untergang des Kommunismus bis zur Invasion der Ukraine“.